Dem stärksten Wille fehlt oft die Kraft, die einer zarten Emotion selbstverständlich ist.
Emotionen zu definieren ist kein leichtes Unterfangen. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und wird als emotio (heftige Bewegung) oder emovere (aufwühlen, heraustreiben) beschreiben. Jedoch gibt es bisher keine eindeutige und allgemeingültige Definition von Emotionen in der Psychologie. Stattdessen versucht die Wissenschaft sogenannte Arbeitsdefinitionen zu finden. Damit versteht man meist Beschreibungen des Phänomens Emotion. Eine solche Arbeitsdefinition, auf welche sich die Psychologie weitestgehend geeinigt hat, lautet wie folgt:
„Eine Emotion beschreibt den Ausdruck von Gefühlen, wie Liebe oder Wut. Jedoch besteht eine Emotion nicht nur aus einem Gefühl, sondern auch aus der körperlichen Reaktion und den Denkprozessen, die mit den erlebten Gefühlen zusammenhängen.“ [1]
Manchmal werden Emotionen als körperliche Reaktionen definiert, welche sich im Laufe der Entwicklung des Überlebens entwickelt haben, manchmal sollen es mentale Zustände sein, die dann einsetzen, wenn das Gehirn körperliche Reaktionen repräsentiert. Für Einige scheinen unbewusste Impulse entscheidend, für Andere sind es bewusste Bewertungen und Klassifikationen. Manche sehen körperliche Reaktionen wiederum als irrelevant und meinen, dass Emotionen sich ausschließlich im Gehirn abspielen, während andere sie als Formen des Handeln, Redens oder sogar soziale Konstrukte sehen, welche sich nicht in einem Individuen ereignen, sondern zwischen ihnen. [2]
Wie Sie sehen wird der Begriff der Emotionen mehrdeutig verwendet, ähnlich wie der der Gefühle. Gefühle werden oft Emotionen gleichgesetzt. Jedoch ist zu unterscheiden, dass Gefühle nur eine Teilebene (subjektive Erlebnisweise) der Emotionen darstellen, die bei einer Emotion erlebt werden. Eine Emotion ist eine innere Empfindungen, welche zu einem Gefühl führt, welches nach außen hin für andere Menschen gut erkennbar ist. Wir erkennen unsere Emotionen also nur dadurch, dass sie uns als Gefühle bewusst werden. [3]
Ein Unterschied zwischen Emotionen und Gefühlen ist zum Beispiel, dass eine Emotion weitreichender und umfassender ist als ein Gefühl, denn eine Emotion beschreibt einen Prozess, der aus drei wesentlichen Punkten besteht:
Emotionen, welche intensiv, heftig und kurzzeitig mit einer desorganisierenden oder einengenden Wirkungen auf das Verhalten und Erleben auftreten werden Affekte genannt, wie zum Beispiel ein Wut- oder Panikanfall.
Stimmungen hingegen sind längerfristige emotionale Tönungen des Erlebens ohne einen klaren Bezug zu Reizen, Situationen, Tätigkeiten und Bedürfnissen und bilden den Hintergrund des Erlebens, wie zum Beispiel Niedergeschlagenheit und Mutlosigkeit. [2]
Abbildung 1: Facetten von Emotionen
Menschliche Emotionen sind komplexe, größtenteils genetisch vorgeformte Verhaltensmuster. Sie haben sich im Laufe der Evolution herausgebildet, um bestimmte Anpassungsprobleme zu lösen und ein schnelles und adäquates Handeln zu ermöglichen.
Darüber was Emotionen sind, wie man sie als Phänomene beschreiben kann, wie man sie bewerten kann und welche Funktionen sie haben wird seit der Antike intensiv diskutiert. Dies geschah zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Feldern des Wissens. „Von der Antike bis in die Frühe Neuzeit sind es vor allem die Rhetorik, die Philosophie, die Theologie und die Medizin, in der Moderne ist es das ganze Feld der sogenannten Humanwissenschaften, wie Historische Anthropologie, Psychologie, Psychiatrie, Psychoanalyse, Ethnologie, Soziologie, Soziobiologie und die Neurowissenschaften.“ [4] Man blickt also auf eine Geschichte mit vielen verschiedenen Zugängen auf den Bereich Emotion. [4]
Laut Stangl (1989) seien Emotionen stammesgeschichtlich ältere und ursprüngliche Formen von Kognition. Die Evolution veranlasst Menschen durch Emotion jene Dinge zu tun, die notwendig sind, damit sie ihre Angepasstheit an die Umwelt möglichst hoch halten, wie zum Beispiel mit anderen Menschen zu streiten oder ihr Revier zu verteidigen. Darwin folgerte durch „Beobachtung von Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt, dass emotionsspezifischer Ausdruck universell verbreitet ist.“ [5]
Emotionen haben eine Informationsfunktion, eine Motivationsfunktion und eine Aufmerksamkeitslenkungsfunktion. Die Hauptfunktion einer Emotion ist oft, ein Signal an das eigene Umfeld zu senden. Denn Emotionen können direkt Einfluss auf den emotionalen Zustand von anderen Menschen nehmen, ob man das möchtest, oder nicht. Gesichtsausdrücke, Bewegungen und Haltungen sind direkt mit Emotionen verbunden. Emotionen sind daher als nonverbale Ausdrücke ein sehr starkes Kommunikationsmittel.
Zudem motivieren Emotionen das Verhalten und bereiten auf verschiedene Handlungen vor. Häufig handelt der Mensch durch Emotionen, bevor er sich die Zeit genommen hat, eine Situation genau zu analysieren, denn sie ermöglichen, in sehr wichtigen Situationen schnell zu reagieren. Das kann sowohl gut als auch schlecht sein.
Jeden Tag erleben wir zahlreiche Emotionen, von Glück über Zufriedenheit und Stolz bis hin zu Wut und Trauer.
Emotionen sind oft von Mensch zu Mensch individuell und unterschiedlich ausgeprägt. Es gibt jedoch einige grundlegende Merkmale von einzelnen Emotionen.
Diese Merkmale treffen auf alle Emotionen zu. Unterschieden und kategorisiert können sie anhand folgender Eigenschaften:
Paul Ekman, ein US-amerikanischer Anthropologe und Psychologe arbeitete die sieben sogenannte 7 Basisemotionen heraus, welche kulturübergreifend auftreten. Er kam in seinen Untersuchungen zu dem Schluss, dass es gewisse Emotionen gibt, die bei allen Menschen gleichermaßen vorhanden sind:
Ärger/Wut, Angst, Ekel, Freude, Trauer, Überraschung und Verachtung.
Es gibt zahlreiche weitere Emotionen, die sich den Basisemotionen zuordnen lassen und sich nur geringfügig unterscheiden. Einige der Wichtigsten neben den Basisemotionen sind:
Hass, Eifersucht, Neid, Reue, Einsamkeit, Verzweiflung, Enttäuschung, Stolz, Zufriedenheit, Fröhlichkeit, Dankbarkeit, Vertrauen, Zuneigung. [1]
Abbildung 2: Gefühlsblume
Wir Menschen bemerken es nicht, aber das limbische System (ein Teil unseres Gehirns) erzeugt ununterbrochen Emotionen. Erst wenn die Signale dieses Systems in die Hirnrinde (auch Cortex genannt) gelangen, werden Emotionen bewusst wahrgenommen. Dies geschieht (wenn überhaupt) erst am Ende eines komplexen Prozesses. Dieser Prozesses ist jeweils in einen ersten und einen zweiten Mechanismus aufgeteilt. Diese beiden Mechanismen erfolgen zwischen dem ersten Wahrnehmen eines Reizes (wie Gerüche oder Geräusche) und dem letztendlichen Empfinden einer Emotion.
Der erste Mechanismus analysiert die Situation sehr schnell, aber ungenau. Über den sogenannten Thalamus, ein Teil des limbischen Systems, gelangt die Information von den Sinnesorganen sofort zur Amygdala. Dieser Teil des limbischen Systems beurteilt in nur wenigen Millisekunden, ob der empfangene Reiz (zum Beispiel was man gerade sieht oder hört) schädlich oder nützlich ist.
Dadurch wird anschließend über Hypothalamus und Hirnstamm die passende körperliche Reaktion aktiviert. Damit soll sich der Körper auf einen Kampf vorbereiten oder die Flucht einleiten können. Zu diesem Zeitpunkt ist Einem noch nicht bewusst geworden, dass man Angst hat. Zum Beispiel nimmt man Angst nicht unbedingt sofort wahr, wenn man sich in einer Gefahrensituation befindet.
Der zweite Mechanismus verläuft vom Thalamus zur Hirnrinde und ist um einiges langsamer, allerdings auch detaillierter als der erste Mechanismus. Hierbei sind die Sehrinde im Auge und der Hippocampus, aus dem Gedächtnisinhalte abgerufen werden, beteiligt. Die gegenwärtige Situation wird also mit früheren Erlebnissen verglichen.
Ebenso wichtig für den zweiten Mechanismus ist der präfrontale Cortex, welcher Emotionen verarbeitet und daraus Schlüsse für die geeignetste Handlung zieht. Der präfrontale Cortex ist auch die Hirnregion, in der emotionale Reize in bewusste Gefühle umgewandelt werden. Wenn eine Gefahrensituation gut analysiert worden ist, schickt der präfrontale Cortex seine Informationen zu einer erneuten Beurteilung zurück an das limbische System. Gegebenenfalls kommt es dann zu einer Modifikation. [6]
Wie Sie bisher sehen konnten, sind die 7 Basisemotionen (Ärger/Wut, Angst, Ekel, Freude, Trauer, Überraschung und Verachtung) abgesehen von Freude und zum Teil Überraschung negativ belastet.
Mit dem Aufkommen der Positiven Psychologie in den letzten Jahren entwickelte sich die Rolle der positiven Emotionen zu einem zentralen Interessengebiet der Positiven Psychologie. Dieser Trend basierte weitgehend auf den Bemühungen von Fredrickson, die führende Forscherin auf dem Gebiet der positiven Emotionen. In Ihrem Buch Die Macht der guten Gefühle [7] stellt sie die zehn wichtigsten positiven Emotionen als zentralen Bestandteil unseres Wohlbefindens dar. Diese Emotionen sind Freude, Dankbarkeit, Gelassenheit, Interesse, Hoffnung, Stolz, Belustigung, Inspiration, Ehrfurcht und Liebe.
Positive Emotionen werden definiert als „subjektive, positiv bewertete Gefühle, die von glücklich, ruhig und zufrieden bis hin zu aufgeregt und begeistert reichen, und [sie] grenzen […] von anderen positiv bewerteten Konstrukten wie Optimismus, Lebenszufriedenheit und Bedeutung ab.“ [8]
„Die Erfüllung von Motiven, klassischerweise Leistung, Macht oder Anerkennung, aber auch Intimität, Neugier und anderes“ [9], geht meist mit positiven Emotionen einher. „Besteht eine Diskrepanz zwischen der aktuellen Situation und einem vorherrschenden Motiv, werden negative ausgelöst. Dies wird oft von dem Wunsch begleitet, die Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Zustand zu verringern, diese Aktivierung bezeichnen wir als Motivation.
Emotionen motivieren uns also zu bestimmten Handlungen und können ihrerseits auch
durch motivierende Handlungen reguliert werden. Je nach der subjektiven Dringlichkeit der
Soll-Ist-Diskrepanz können verschiedene Emotionen mit unterschiedlicher Intensität auftreten.
Diese Emotionen geben ihrerseits bereits bestimmte "Handlungsempfehlungen" ab, [welche] wir als Verhaltensimpulse erleben. [Die Möglichkeit, diesen Empfehlungen nicht direkt zu folgen], d.h. nach ihnen zu handeln, ist eine Form der Emotionsregulation“. [10]
Das Thema der Emotionen ist sehr breit und weitreichend und daher auch komplex. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Emotionen in Ihrem Empfinden allgegenwärtig sind und sich durch Gefühle, körperliche Reaktionen und Denkprozesse darbieten.
Eine Übung hierzu ist die „Achtsame Reise“. Sie unterstützt durch achtsames Wahrnehmen ihr körperliches Empfinden und Ihre emotionale Intelligenz. In der folgenden Kurzmeditation nehmen Sie Ihre Aufmerksamkeit auf eine Reise durch Ihren Körper und Geist. Diese Übung eignet sich für Personen, die ihren Körper bewusster wahrnehmen möchten, Stress reduzieren wollen und sich innere Ruhe verschaffen möchten.
Ziele: Sie fördern Ihre emotionale Intelligenz durch achtsames Wahrnehmen, Erkennen und Benennen von Gefühlen, Gedanken und Köperempfinden.
Ein paar gute Gründe: Verbesserte Körperwahrnehmung, Stressreduktion, körperliche und geistige Gesundheit
Kurzbeschreibung: Sie gehen in dieser kurzen Meditation mit Ihrer Aufmerksamkeit auf eine Reise durch Ihren Körper und Geist und spüren bewertungslos in sich hinein.
Anleitung und Übung: Zu Beginn dieser Übung wählen Sie ein Erleben eines beliebigen Gefühls, eines Spannungszustands oder einer Erregung. Suchen Sie sich nun einen ruhigen und gemütlichen Ort, an dem Sie ohne Störung diese Übung durchführen können. Setzen Sie sich dort aufrecht, mit gerader Wirbelsäule hin. Sie können die Augen schließen oder alternativ einen Punkt im Raum fixieren.
Gehen Sie nun mit Ihrer Wahrnehmung zu Ihrem Körper. Sie beginnen bei Ihren Füßen und spüren, wie sie sich anfühlen. Sind sie warm oder kalt, leicht oder schwer, entspannt oder angespannt, bewegungslustig oder müde etc.? Leiten Sie Ihre Aufmerksamkeit weiter zu Ihren Unterschenkeln, wie fühlen sich diese an? Reisen Sie weiter zu Ihren Oberschenkeln, dann zu Ihrem Gesäß und zum Rücken, bis Sie bei Ihrem Bauch ankommen. Hier können Sie ein wenig länger verweilen. Was für ein Gefühl bringt ihr Bauch zum Ausdruck? Will er Ihnen etwas mitteilen? Ist es eher positiv oder negativ? Verspüren Sie eher eine Passivität (z. B. Gelassenheit oder Trauer) oder eine Tendenz zur Aktion und einem erhöhten Erregungslevel (z. B. Angst mit Fluchtbereitschaft oder Aggression)?
Wenn Sie nun eine ungefähre Vorstellung haben, können Sie weiter in Richtung Ihres Herzens gehen. Welch ein Gefühl hat es, will es Ihnen etwas sagen? Möchte Ihr Herz den jetzigen Gefühlszustand beibehalten oder ihn verändern?
Falls Sie eine Antwort erhalten haben oder das Gefühl bekommen, dass es Zeit ist, können Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit weiter in den Kopf gehen. Wie fühlt sich Ihr Kopf auf körperlicher Ebene an? Ist er ruhig und fokussiert oder angespannt und verwirrt? Welches Gefühl erkennen Sie in sich oder sind es sogar mehrere Gefühle? Bewerten Sie Ihr Gefühl nicht, sondern nehmen Sie es einfach wahr und versuchen es zu benennen. Manchmal kann es hilfreich sein, dem Gefühl einen eigenen Namen zu geben. Sie können Ihrer Fantasie hier freien Lauf lassen.
Wenn Sie Ihrem Körper, Ihrem Geist und Ihrem Gefühl ein wenig näher gekommen sind, können Sie die Übung beenden, indem Sie die Augen öffnen, Ihre Umgebung wahrnehmen und in sich hinein spüren, was sich verändert hat.
[1] Emotionen • Gefühle, Definition, Bedeutung. (2022). Studyflix. https://studyflix.de/biologie/emotionen-3606
[2] Vaas. (2022). Emotionen. Spektrum. https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/emotionen/3405
[3] Erzieher - Wissen & Erfolg, Erziehungstraum (Regisseur). (2022, September 4). Emotionen Vs Gefühle | Der Unterschied. https://www.youtube.com/watch?v=BiMagC-8HEE
[4] Lehmann, J. F. (2016). 2.6 Geschichte der Gefühle. Wissensgeschichte, Begriffsgeschichte, Diskursgeschichte. In M. von Koppenfels & C. Zumbusch (Hrsg.), Handbuch Literatur & Emotionen. De Gruyter. https://doi.org/10.1515/9783110303247-007
[5] Stangl, W. (2022). Die menschlichen Emotionen—Ein Überblick. https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/
[6] Emotionen: Definition, Merkmale & Bedeutung | StudySmarter. (o. J.). StudySmarter DE. Abgerufen 8. November 2022, von https://www.studysmarter.de/schule/psychologie/grundlagendisziplinen-der-psychologie/emotionen/
[7] Fredrickson, B. L. (2011). Die Macht der guten Gefühle: Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert. Campus.
[8] Measuring positive emotion outcomes in positive psychology interventions: A literature review. (2021). Emotion review., 13(1), 60.
[9] Sachse, R. (2006). Therapeutische Beziehungsgestaltung. Göttingen: Hogrefe.
[10] Greif, S., Möller, H., Scholl, W., Passmore, J., & Müller, F. (Hrsg.). (2022). International Handbook of Evidence-Based Coaching: Theory, Research and Practice. Springer International Publishing. https://doi.org/10.1007/978-3-030-81938-5
[11] Hausler, M. (2019). Glückliche Kängurus springen höher Impulse aus Glücksforschung und Positiver Psychologie (1. Edition), S. 145. Junfermann.
*Übung adaptiert nach Hausler (2019)