Ob du denkst du kannst es oder du kannst es nicht – du wirst auf jeden Fall Recht behalten.
Stellen Sie sich folgende Situation in der Schule vor: Tim und Max schreiben eine Matheprüfung. Als Sie ihre Ergebnisse erhalten, erreicht Tim eine gute und Max eine schlechte Bewertung. Tim fühlt sich in seinen Mathefähigkeiten bestätigt, er glaubt dass ihm Mathe einfach liege. Max hingegen schiebt die Ursache für seinen Misserfolg auf die Fragestellungen, die aus seiner Sicht unklar formuliert waren. Er bezieht den Misserfolg nicht auf seine generellen Fähigkeiten in Mathematik, und hat Zuversicht beim nächsten Mal eine bessere Note zu erzielen.
In den unterschiedlichen Erwartungen der beiden Schüler hinsichtlich ihrer Kompetenz die Prüfung zu meistern, steckt das Konzept der Selbstwirksamkeit. Es wurde erstmals in den 1970er Jahren vom Kanadier Albert Bandura in seiner sozialkognitiven Theorie beschrieben. [1] Bandura verstand unter Selbstwirksamkeit das Ausüben einer Handlung um ein gewünschtes Ergebnis zu erreichen. Daraus ergibt sich das eng verwandte Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung. Dies bezeichnet die Erwartung an die eigene Fähigkeit diese Handlung mit dem gewünschten Resultat auszuüben.
Reflexion:
Selbstwirksamkeit ist mit einer Reihe von positiven Effekten verbunden. So zeigen Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung generell ein höheres Wohlbefinden und bessere Gesundheit. [2,3] Des Weiteren sind Menschen mit einer höheren Selbstwirksamkeitserwartung weniger anfällig für Depressionen und Angststörungen. Sie zeigen eine größere Ausdauer in der Bewältigung von Aufgaben und sind erfolgreicher in Ausbildung und Berufsleben. [4] Aufgrund dieser zentralen Rolle ist die direkte oder indirekte Erhöhung der Selbstwirksamkeitserwartung häufig ein zentrales Therapieziel.
Bandura beschreibt vier verschiedene Quellen, welche die Selbstwirksamkeitserwartung über die Lebensspanne speisen. [1] Eine fünfte Quelle wurde später von James Maddux hinzugefügt. [5]
Wie oben bei den „eigenen Erfolgserlebnissen“ bereits erwähnt, bestimmen die Ursachen, welche wir unseren Erfolgen und Misserfolgen zuschreiben, maßgeblich unsere Selbstwirksamkeitserwartung. Diese Ursachenzuschreibung von Ereignissen wird auch als Attribution bezeichnet.
Dabei unterscheidet man folgende Achsen, die im Folgenden an Beispielen zur Eingangssituation der beiden Schüler Tim und Max illustriert werden:
Internal vs. external: Liegt die Ursache des Ereignisses in meinem eigenen Verhalten oder in äußeren Faktoren?
Internale Attribution:
Externale Attribution:
Zeitlich stabil vs. zeitlich variabel: Ist das Ereignis generell so oder nur einmalig?
Zeitlich stabile Attribution:
Zeitliche variable Attribution:
Global vs. spezifisch: Ist das Ergebnis verallgemeinerbar für ähnliche Situation oder nur für diese Situation?
Globale Attribution:
Spezifische Attribution:
Die drei Achsen wurden oben zur Illustration zwar als polare Gegensätze von Extremen beschrieben, jedoch lassen sich die Achsen in der praktischen Anwendung eher als veränderbares Kontinuum verstehen. Das lässt sich schön mit der Metapher eines Schiebereglers illustrieren: Für jede der drei Achsen können Sie in Abstufungen – z.B. mehr oder weniger internal – die Ursachen ihrer Erfolge bzw. Misserfolge einordnen. [4] Das können Sie in der folgenden Übung selbst ausprobieren.
Anleitung: Erinnern Sie sich an einen Misserfolg bzw. eine unschöne Erfahrung (I) und
anschließend an einen Erfolg bzw. eine schöne Erfahrung (II). Welchen Ursachen schreiben Sie dieses Erlebnis zu? Nutzen Sie für die Einschätzung die folgenden drei Achsen:
Bennen Sie diese Erinnerung mit einer Überschrift und überlegen Sie sich für alle drei
Achsen mögliche Ursachenzuschreibungen. Wo befinden Sie sich aktuell? Lassen sich Ihre Zuschreibungen verändern (wie bei einem Schieberegler)?
Laut Heller bietet sich folgendes Muster an [6]:
Für eigene Misserfolge bieten sich zwei Strategien an:
Einerseits kann ein Misserfolg internal und zeitlich variabel zugeschrieben werden. Dabei sieht man die Ursache des Misserfolgs in sich selbst, aber in einem veränderbaren vergangengen Verhalten und nicht in der eigenen Persönlichkeit.
Bsp: „Ich habe einfach nicht genug gelernt.“
Andererseits kann ein Misserfolg external attribuiert werden. Hier sieht man die Ursache des Misserfolgs im Außen.
Bsp: „Die Aufgabe war unfair.“ (external + zeitlich stabil)
Bsp: „Diesmal hab ich einfach Pech gehabt“ (external + zeitlich variabel)
Hinter dem Konstrukt der Selbstwirksamkeitserwartung versteckt sich letztendlich eine Art „selbsterfüllende Prophezeiung“. Sicherlich spielen Fähigkeiten und Umstände eine wichtige Rolle, aber die Entscheidung welchen Herausforderungen wir uns überhaupt stellen und wie wir in diesem Prozess mit Rückschlägen bzw. kleinen Misserfolgen umgehen, spielen eine teils vergessene, aber dennoch große Rolle dabei, ob wir am Ende unsere Ziele erreichen oder nicht. Deshalb lohnt es sich an seiner Selbstwirksamkeitserwartung aktiv zu arbeiten. Übungen mit Attributionen machen offensichtlich, wie sich Selbstwirksamkeitserwartung im Alltag zeigt und wie wir diese zu unseren Gunsten verändern können.
[1] Bandura, A. Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological review 84, 191–215 (1977).
[2] Rosenbrock, R. Handbuch Partizipation und Gesundheit. vol. 74 (Huber, 2012).
[3] Bannink, F. P. Praxis der Positiven Psychologie. (Hogrefe Verlag, 2012).
[4] Blickhan, D. Positive Psychologie – ein Handbuch für die Praxis. (2015).
[5] Maddux, J. E. Self-efficacy: The power of believing you can. in Oxford handbook of positive psychology, 2nd ed 335–343 (Oxford University Press, 2002).
[6] Heller, K. A. Reattributionstraining (RAT) - ein unterrichtsintegriertes Modell der Begabtenförderung in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern. in In: Fischer, Christian; Mönks, Franz J.; Grindel, Esther (Ed.), Curriculum und Didaktik der Begabtenförderung. Begabungen fördern, Lernen individualisieren (S. 304-329). Münster: Lit, 2004 304–329 (Lit, 2004).